Nehmen Sie sich etwas Zeit uns lesen sie den pointierten und detailgenauen Bericht des Gründungsmitgliedes Herrn Oberamstbaumeister Zweig aus dem Jahre 1954.
Für alle Geschichtsbegeisterten haben wir den Text in der Orginalschriftart „Sütterlin“ erhalten. Zur allgemeinen Erleichterung haben wir den Text auf der Webseite jedoch in Arial geschrieben.
Bericht Herr Zweig – 1954 – Arial (65.94 kB)
Bericht Herr Zweig – 1954 – Suetterlin (79.13 kB)
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60 jähriges Jubiläum des evangelischen Jungmännerwerks.
Es ist jetzt etwa 4 Wochen her, daß ein Vertreter des hiesigen evangel. Jugendwerks an mich die Frage richtete, ob ich bereit wäre, am heutigen Tage aus der Geschichte des Jungmännerwerks etwas zu erzählen. Nach einigen Überlegungen sagte ich zu.
Am 20. März 1890 bin ich hier aufgezogen, bin jetzt 64 Jahre hier.
der Verein ist am 15. November 1893 durch die Bemühungen des damaligen Herrn Stadtpfarrers Dr. Lempp mit 19 jungen Leuten ins Leben gerufen worden.
Der Gründung schlossen sich damals an als Mitarbeiter:
1.) Schullehrer Kaufmann
2.) Amtsgerichtsschreiber Lexon
3.) Fritz Rieker, Abteilungsleiter in den N.S.U Werken
4.) Wilhelm Rieker, Kaufmann in den N.S.U Werken
5.) und ich (Herr Zweig)
Ziffer 3 und 4 blieben treue Mitarbeiter bis an ihren Tod. Ohne sie kann man sich den Verein gar nicht denken. Ihnen ist man viel, viel schuldig.
Ziffer 5 lebt noch.
Bis Oktober 1908 also 15 Jahre lang, hatte der Verein seine Heimat im Saal des Stadtpfarrhauses. Den ihnen die Kirchengemeinde einschließlich Heizung und Beleuchtung unentgeltlich zur Verfügung stellte.
Hier konnte er sich unter der treuen Obhut von Herrn und Frau Stadtpfarrer, die dem Verein Vater und Mutter waren, herrlich entfalten. Die ganze Familie Lempp lebte mit dem Verein. Was wird doch heute nicht alles lebendig, wenn man an diese Zeiten wieder erinnert wird.
Mir sind heute schon die Worte groß geworden, die Paulus an seinen Thimoteus schreibt: Ich erinnere mich des Glaubens, der zuvor gewohnt hat in deiner Mutter und deiner Großmutter, bin aber gewiß auch in dir.
Ich denke heute an unsere köstlichen Weihnachtsfeiern, bei denen Herr und Frau Stadtpfarrer mit ihren Kindern, die schon für sich einen halben Jünglingsverein bildeten, als väterlich und mütterlich gesinnte Freunde unter uns saßen.
Nicht vergessen darf ich den guten Kaffee mit Hefering, welchen die jederzeit Dienstbereite Pfarrhaus-Karoline zubereitete. Wie hat sie gestrahlt, wenn sie allemal mit so einer gefüllten Kaffeekanne den Saal betrat und servierte. Schuldig sind wir nichts geblieben, wir haben gegessen und getrunken, bis wir satt waren.
Nicht vergessen darf ich die köstlichen Stegreifreden des Herrn Stadtpfarrers. Da war auch gar nichts Wesentliches vergessen, was sich das Jahr über im Vereinsleben ereignet hatte. In der Regel saß Frau Stadtpfarrer oben am Tisch und besah und beherrschte mit ihren blauen, klugen, ruhigen Augen die ganze Situation. Neben ihr saß und stand Herr Stadtpfarrer. Er pflegte sich immer gewählt auszudrücken. Da gabs dann oft Pausen von einigen Sekunden, bis der richtige Ausdruck gefunden war. Und dann folgte ein allseits herzliches Beifalllachen. Wie konnte doch die Frau Stadtpfarrer so herzlich lachen, es war einem, als sage sie zu ihrem Nebensitzer:“ Lieber Mann, hast‘s wieder recht gemacht“
Dazwischen hinein wurde gesungen, musiziert, deklamiert und am Schluß kam der Niklaus. Diesen konnte niemand besser machen als der Wilhelm Rieker.
Sein Zwerchsack mit der Rute, das gab ein Bild, das muß man gesehen haben.
Höhepunkte im Vereinsleben waren unstreitig unser Bibelstunden am Sonntag Abend. Die waren aber auch lebendig. An denen hat sich auch beteiligt reden konnte und Gedanken hatte.
Weiter sind erwähnenswert im Sommer bei regenfreiem Wetter, an den Sonntag Nachmittagen, unsre Ausflüge in Gottes freier Natur in Feld und Wald.
Ab und zu kam es auch vor, daß Herr Stadtpfarrer vor der Bibelstunde sagte: Freunde: ich hab heute auf 3 Kanzeln gestanden, in Neckarsulm, Kochendorf und Gundelsheim und habe 2 Kinderlehren gehalten, ich habe jetzt genug. Ich setze mich aber auch zu Euch her, daß ihr net meint, ich hätte kein Interesse mehr an Euch, aber bieten kann ich Euch nichts mehr.
Weitere Höhepunkte im Vereinsleben war der Empfang der Neukonfirmierten nach der Konfirmation und dann der Besuch der Bezirkskonferenzen unter Herr Stadtpfarrer Wurster in Heilbronn, in den Bezirken Heilbronn, Neckarsulm und Weinsberg.
Wer diese besucht hat, hat sie zeitlebens nicht vergessen. Durchschnittlich war alle 6 – 8 Wochen einmal eine Bezirkskonferenz.
Selbstverständlich pflegten wir nicht nur Bibelstunden, wir pflegten auch Leibesübungen, Turnen, Kegelschwebebahn. Zur pflege des geistigen Lebens stand eine reichhaltige Bibliothek zur Verfügung. Was haben wir deklamiert und unter Leitung der beiden Lehrer Kaufmann und Rothenburger gesungen und musiziert.
Im Jahr 1895 ist von Frau Stadtpfarrer eine Sonntagschule, heute Kinderkirche ins Leben gerufen worden. die heute noch bestehet. Als Mitarbeiter wirkten von Anfang an die Brüder Fritz und Wilhelm Rieker mit.
Am 4. Dezember 1901 bekamen wir den ersten Stadtvikar. Er war der geniale Herr August Hinderer. Später Dr. Professor und Vorstand des ev. Preßverbandes in Berlin. Vor etwa 5 Jahren ist er als Pensionär in Dettingen bei Urach gestorben.
Der damals dienstlich sehr überlastete Vereinsvorstand Lempp, Stadtpfarrer und Bezirksschulinspektor trat sofort die Vereinsvorstandsschaft an Hinderer ab und übernahm dafür das Amt eines Schriftführers das er bis zu seinem Weggang behielt.
Hinderer hat sofort den Verein getrennt in einen ältere und jüngere Abteilung. Durch ihn kam Schwung und Leben in den Verein. In der ersten Ausschusssitzung wurden gewählt:der Kassier, der Bibliothekar, der Turnwart und der Spielwart, der Zeitungswart, der Tagebuchwart, der Hauswart, der Ordnungswart, der Lampen- und Oberwart. Außerdem wird ein Posaunen und Flötenquartett ins Leben gerufen.
Der Posaunenchor hat nach einjähriger Vorübung schnell die Gunst der Gemeinde gewonnen. Der Chor zählt heute etwa 20 gut geschulte Bläser. Der Posaunenchor hatte viele Dirigenten die es am Längsten bei ihm ausgehalten haben, sind Otto und Adolf Pisterer und Paul Weber. Diesen möchte ich heute meinen besonderen Dank aussprechen. Posaunenbläser sind etwas kritisch veranlagte Menschen. Man kann es ihnen beim besten Willen nicht immer recht machen. Da ist es nicht leicht Dirigent zu sein. Ehe wir die beiden Gemeindehäuser hatten, übten in dem kleinen Pfarrhaussaal wöchentlich und abends 1 bis 2 mal der Posaunenchor, der Flötenchor, der Singchor, der Jungfrauenverein und der Kirchengemeinderat. Sonstige kleinere Gruppen und hart daneben ist das Arbeitszimmer des Stadtpfarrers und Bezirksschulinspektors, das Stadtvikariat und darüber die Wohnung des Stadtpfarrers. Das war doch manchmal für die Bewohner des ganzen Hauses bei aller Freude von dem ganzen Betrieb zum Davonlaufen, das trotzdem Herr und Frau Stadtpfarrer ihr Niveau und über 80 Jahre alt geworden sind erscheint mir als groß Wunder zum mindestens ist dies nicht selbstverständlich.
Am 13. September 1903 wird das 10-jährige Jahresfest feierlich begangen. Dabei kann der Vorstand von erfreulichem Wachstum und einem blühenden Stande des Vereins nach jeder Richtung berichten.
Am 7. Oktober 1903 wird Stadtvikar Hinderer Stadtpfarrverweser in Markgröningen. Sein Nachfolger ist Stadtvikar Rieß. Dieser war es der im Mai 1905 in der Generalversammlung den Antrag stellte, man sollte das langjährige Ausschussmitglied Zweig zum Vorstand und den jeweiligen Stadtvikar zum stellvertretenden Vorstand machen. Der ständige, rasche Wechsel im Stadtvikariat mache dies notwendig. Zweig habe voraussichtlich für längere Zeit seinen Wohnsitz in Neckarsulm. So sehr sich Letzterer gegen diesen Vorschlag wehrten, setzte er sich doch durch und fand einstimmige Annahme.
So kam es, daß ich dem Verein seit seiner Gründung 30 Jahre als Vorstand, 10 Jahre als Ausschussmitglied, 20 Jahre als Mitglied und Gast angehöre.
Im August 1904 wird Herrn Stadtpfarrer Lempp als Oberinspektor an das königliche Waisenhaus nach Stuttgart versetzt. Das war eine Überraschung. Es war uns, wie man uns Vater und Mutter auf den Friedhof tragen würde. Vielen herzlichen Dank sei den Beiden noch heute nachgebracht. Mir fällt da ein Vers von Peter Rosegger, dem Dichter aus Graz: Was ich aus Trutz vollbracht wuchs rasch, in Nacht – und war verregnet. – Was ich aus Liebe gesät – keimte fluchs – reifte spät – und ist gesegnet!
Ich wiederhole: Was ich aus Liebe gesät – reifte spät – und ist gesegnet. Das trifft voll und ganz auf Familie Lempp zu. Eines Tages stand für die Beiden Vorstände des Kirchengemeinderats und des Jungmännerwerks fest, der Pfarrhaus ist zu klein, wir brauchen für die vielen kirchlichen Veranstaltungen mehr und größere Räume. Ein Gemeindehaus ist dringend erforderlich. Beide Vorstände sannen auf Abhilfe. Jeder auf seine Weise.
Der Nachfolger für Herrn Lempp und Herrn Stadtpfarrer und Bezirksschulinspektor Stieger wollte im Gemeindehaus eine Kinderschule mit Schwesternstation, sonst nichts. Für das Jungmännerwerk hatte er nichts übrig. Die sollten für sich bauen. Unser Posaunenchor hat damals viel mit B geblasen.
Der Vorstand des Jugendwerks plante daraufhin ein zweistöckiges Gemeindehaus, im Erdgeschoß mit teilbarem Speise-, Lese- und Spielsälen, im ersten Stock mit Wohn- und Schlafgelegenheit für ledige junge Arbeiter. Die Exzellenten auf Lautenbach, die Direktoren der Fahrzeugwerke, die beide damals selten auf unseren Johannesfesten fehlten, waren für diese Gedanken sehr eingenommen und versprachen bei seiner Verwirklichung tatkräftige Unterstützung. (Die Fahrzeugwerke haben einige Jahre später auf der Wilhelmshöhe ein ganz ähnliches Gebäude erstellt)
Nach langen eingehenden Verhandlungen und Überlegungen auf beiden Seiten einigte man sich schließlich auf der Grundlage an die Kinderschule wird noch ein Anbau erstellt für das Jungmännerwerk und das Ganze so konstruiert das beide als einen einheitliche Saalraum benutzt werden können. Aber heute rückwärts geschaut, war das die einzige richtige Lösung. Diese hartmärkige umstrittene Frage. Im Laufe der Zeit zeigte es sich, das Herr Stadtpfarrer und Bezirksschulinspektor Rücker doch für die damalige Zeit der rechte Mann für jene schwierige Zeit war.
Am 1 Oktober 1905 beging der Verein sein 12 Jahresfest, das erste unter dem neuen Vorstand, der von ihm dargebotenen, gedruckten Jahresbericht gab in eingehender Weise einen Rückblick auf die Entwicklung des Vereins. Dem Einblick in die umfangreiche Arbeit demselbigen und einen Ausblick auf die kommenden Aufgabe. Das Fest war ein Mark- und Baustein im Leben des Vereins.
Manches Herz und manche Hand wurde wil.ig gemacht zur Mitarbeit durch werktätige Unterstützung. Die Direktoren der Fahrzeugwerke waren je mit Frau Gemahlin vollzählig anwesend und zeichneten privat und als Firma namhafte Beiträge. Die Hauptfeier war in der Kirche, die Nachfeier im Hirschsaal. Bei beiden Feiern hatte Bundesinspektor Stadtpfarre Heim von Stuttgart die Hauptansprachen.
Am Sonntag den 8. November 1908 kam der von den Pfarrhausbewohnern und dem Verein so lang ersehnte Tag, an dem der Verein aus und umziehen konnte. Es ging nach dem Vers: Aus der Enge in die Weite, aus der Tiefe in die Höhe, führt der Heiland seine Leute, das man seine Wunder säh.
Schon am Samstagnachmittag erfolgte der Umzug. Das war ein Fest. Haufenweise stürzten die Mitglieder aus dem alten Vereinslokal, jeder mit allerlei Habseligkeiten beladen. Uneingeweihte könnten meinen wir hätten gestohlen. Freude, nichts als Freude leuchtete aus allen Gesichtern. Mit fröhlichem Gesang und unter Posaunenschall nahmen wir Besitzt von den neuen Vereinsräumen.
Die Gemeindehauseinweihung und das 15. Jahresfest, sind auf Sonntag den 8. November 1908 zusammengelegt und gemeinsam gefeiert worden. Die Festgemeinde sammelte sich im Pfarrhaussaal, von hier ging‘s im Festzug zum neuen Gemeindehaus. Von den Posaunenchören begrüßt. Auf die Festpredigt des Herrn Prälaten Dr. Weitbrecht von Stuttgart, Schwiegervaters des Herrn Stadtpfarrers, folgte der gedruckte Jahresbericht des Vorstandes mit den musikalischen, gesanglichen und deklamatarischen Beigaben und Besichtigung des Hauses.
Auf 1 Mai 1912 sandte der Bund in Stuttgart einen Bezirkssekretär Friedrich mit dem Wohnsitz in Neckarsulm. Neben seiner Bezirksarbeit sollte er die übrige Zeit und Kraft dem Neckarsulmer Verein widmen. Sein Hauptwerk war die Gründung und Leitung einer Pfadfinderabteilung mit Trommler und Pfeifenchor. Mit ihr kam anfangs wieder ein frischer, fröhlicher Zug in den Verein. Nach zwei jähriger Dauer löste sich diese Abteilung wieder von selbst auf.
Neben der 10 jährigen Jubiläumsfeier über die schon berichtet wurde, haben wir noch das 25, 30 und 40 Jubiläum gefeiert, die jedes mal einen gesegneten und erhebenden Verlauf nahmen.
Noch einige Zusammenhanglose Erinnerungen:
Auf den großen Weltkonferenzen für Christliche Vereine Junger Männer in den Jahren 1902 in Allersleben, nahm Stadtvikar Hinderer und Vorstand Zweig und 1905 in Paris Stadtvikar Rieß und Vorstand Zweig teil, und außerdem 1908 in Elberfeld Barmen Stadtvikar Spilke und Vorstand Zweig.
Da bestellt mich eines Tages Herr Direktor Langhof auf sein Büro und sagt: Wir bedürfen für unsere neuen 300 pferdige Dampfmaschine einen Maschinisten und für unser neues Kesselhaus einen Heizer, alles zuverlässige, gewissenhafte Leute. Könnten Sie mir aus ihrem Jünglingsverein solche Leute beschaffen, innerhalb 8 Tagen?
Zum Glück war mir das möglich.
Auf Jahrzehnte hinaus war der Bedarf gedeckt, wie mich dies große Vertrauen zu unserer Sach gefreut hat.
Dann ein besonders Dankeswort an meine besonderen Mitarbeiter. Da sind es die 25 Stadtvikarer mit denen ich für längere und kürzere Zeit arbeiten durfte. Dazu kommt ein Teil der älteren Mitglieder über 18 Jahre. Auf diesen Herren und Freunden lag die gesamte äußere Vereinsarbeit ebenso ein Teil der inneren Arbeit. Sowohl unter den Herren Stadtvikar wie unter den Laienbrüder der älteren Abteilung war eine ganze Anzahl prima Qualität, die hervorragendes und verbindliches geleistet haben. Ihre Wertschätzung könnte man besonders bei den Abschiedsfeiern, aus den festlichen und herzlichen Dankesworten in Presier und Poesie an der treuen Anhänglichkeit wegziehender Freunde erkennen. Ohne ihre tatkräftige Mitarbeit wäre es nicht möglich gewesen, den Verein auf dieser Höhe zu halten und zu führen.
Dann verdient noch besondere Anerkennung die beiden Hauptdirigenten Otto Pister und Paul Weber, Otto Pister von anfang seines bestehens, Paul Weber in der Endzeit seines bestehens. Dann verdient noch Herr Hauptlehrer Rothenburger besonderer Erwähnung. Er war so manches Jahr Dirigent unseres Männerchors. Wer die eigenartigen Schwierigkeiten der Jünglingsvereinsarbeit kennt, weiß, daß für einen solchen Posten neben musikalischem Können noch eine ganze Reihe anderer Können gehört, die man nicht alle aufzählen kann. Nicht vergessen darf ich seine klaren, lebendigen Vorträge über: Das Blut, das Herz, die Atmung, sowie die Anatomie des Menschen. Diese Vorträge fanden viel Anklang, waren gut besucht und wurden dankbar aufgenommen.
Dann gedenke ich heute der vielen Dirigenten unseres Posaunenchors von unserem ersten Dirigenten Otto Pfister ab, ich kann sie nicht alle aufzählen. Posaunenbläser sind etwas kritisch veranlagte Menschen man kann es ihnen beim besten Willen nicht immer Recht machen. Da ist es nicht leicht Dirigent zu sein.
In den 30 Jahren meiner Vorstandschaft sind abgehalten worden:
4 größere Evangelisationen von 12 – 15 Tagen
15 8 tägige Bibelkurse
23 Johannesfeste
25 Weihnachtsfeiern
Dazu kommen die zahlreichen Gemeindeabende, Familienabende, Werbeabende, Freizeiten, Bezirkstreffen, 29 Konfirmandenempfänger, Ausflüge, Besuche der Bundesfeste, der Bundeskonferenz und dergleichen.
An Geburtstag von Exzellenz Föchte hat Lehrer Kaufmann mit seinen Schülern das Jungmännerwerk mit seinen Sing und Posaunenchor, der Jungfrauenverein mit Herr und Frau Stadtpfarrer nicht gefehlt.
So alle ein einviertel Jahre wurde der Herr Oberamtmann, Herr Amtsgerichtsrat, Herr Dekan, Herr Stadtpfarrer je mit Frau Gemahlin und ich zu einem Nachmittags nach Lautenbach geladen. Da mussten dann die Herren und Damen über ihre Tätigkeit im Bezirk berichten. Da ging‘s lebendig zu.
Frage gestellt:
Herr Oberamtmann, was tun sie im Nebenamt für die Neckarsulmer Jugend?
Frage Frau Dekan:
Was macht der Neuenstädter Jungfrauenverein?
Evangelist Schenk mit Frau, brachte 18 Sommerferien, Rektor Dietrich von Stuttgart brachte 25 Sommerferien mit Frau und Tochter auf Lautenbach zu. Da ging‘s bei den Mahlzeiten lebendig zu. Da wurde Weltmission getrieben, da ging‘s aus der Enge in die Weite.
Es war üblich, wenn die Exzellenzen mit ihren oft zahlreichen Sommergästen (Über Winter waren Exzellenzen in Stuttgart) den Gottesdienst in Neckarsulm besuchten. Das war vermutlich 1 bis 2 mal da auch Neuenstadt und Kochendorf besucht wurden, das die Herrschaften sitzenblieben bis die Kirche leer war. Dann mussten Herr Stadtpfarrer und ich die Herrschaften begrüßen und dann ging ein Fragen los:
Wie geht‘s in der Kirche, Wie im Jugendwerk?
Bei einer solchen Gelegenheit sagte mal Freifrau von Fächten: Herr Stadtpfarrer Sie haben heute eine gute Predigt gehalten und ich selber habe Sie auch gut verstanden und die Herren da waren in den ersten drei Bänken (da passten früher die Kirchengemeinderäte und die Industriedirektoren) die werden Sie wohl auch verstanden haben, aber die da hinten (da meinte sie die Arbeiter) die werden Sie nicht verstanden haben, Sie stehen noch etwas zu hoch, Sie müssen noch etwas herunter.
Diese Bemerkung hat uns beiden gegolten. Damit wollte Sie uns natürlich nicht wehtun, das war gut gemeint. Aber diese Bemerkung hat unserem (meinem) Leben bei Herrn Stadtpfarrer und mir eine ganz neue Richtung gegeben.
Mir war in jener unvergesslichen Stunde ein großes Leuchten am Horizont meines inneren Lebens erschienen. Meine Seele ahnt, das Gottes Weg mit mir, wenn er mich nutzen machen wollte himmels führte. Und so war es auch, es ging bei mir von Demütigung zu Demütigung. Es schien oft aus zu sein. Die Welt wird nur im Stande sein, zu verstehen das diese Geringen, diese Anspruchslosen überhaupt eine Bedeutung haben. Warum? Lassen Sie es mich frei heraus sagen. Es soll auf dieser Welt dem Menschentum jede Gelegenheit genommen sein, mit seinem, aus ihm selbst stammenden Wirkungsmöglichkeiten zur Geltung zu kommen. Gott will der einzige Faktor sein, wenn es sich handelt um das Können seines Reiches in der Kirche der Menschen hinein.
Als Abschluß sei mir gestattet noch einige persönliche Bemerkungen anzuführen. Sie werden fragen, was hast den du getan in den 40 Jahren als Vorstandsmitglied und Ausschussmitglied, wenn die Anderen nach deiner Angabe alles getan haben.
Antwort:
1. Ich war zunächst der Prellbock, der Puffblock der Schuhabputzstreifen und der Schuttabladeplatz. Wehe dem Vereinsvorstand, der diese Eigenschaften nicht besitzt. Er wird nicht viel Frucht aus seiner Arbeit sehen dürfen.
2. Dann habe ich weitaus die meisten Bibelstunden verarbeitet und gemeinsam mit anderen geleitet.
3. Da war ich Seelsorge für viele junge Menschen, in und außerhalb des Vereins. Höhepunkte bei dieser Arbeit waren wenn ich einen jungen Menschen in seiner oft großen innern Not Heilandsbedürftig machen und zu Jesu führen durfte. Wenn wir da gemeinsam die Knie beugten, zu den Füßen des Gekreuzigten allen Schutt abladen und dafür Vergebung der Sünden und Frieden mit Gott mit hinweg nehmen durften. Das waren meine Höhepunkte in meinen 60 Jahren meines Hierseins. Darin liegt auch der Dank die Anerkennung und viel innere Freude. In der Zeitung und im Gemeindeblatt war über diese Art von Arbeit nichts enthalten und selbstverständlich auch nichts erwartet. Aber im Himmel ist davon etwas bekannt, das weiß ich.
Soeben fällt mir noch ein, den besonderen herzlichen Dank an Herrn Stadtpfarrer Heimerdinger. Nur seinem raschen, gefahrvollen, mitternächtlichen Löscharbeiten in Gemeinschaft mit dem Sohn ist es zu danken, daß die Kirche erhalten bleibt, sonst wäre sie ausgebrannt.